14.07.2023 - Entgrenzung und Ausgrenzung

Ein Kantonsschullehrer hat sich im Jahr 2020 geweigert, ein Trans-Mädchen künftig beim gewünschten Jungennamen zu nennen. Der Lehrer wurde deshalb entlassen. Das Bundesgericht hat das Vorgehen der Schule mit Urteil vom 14. Juni 2023 (in Fünferbesetzung) geschützt.

Die Schulleitung sei verpflichtet, die Persönlichkeit der Schülerinnen und Schüler zu schützen. Sie «sei daher auch berechtigt gewesen, den begründeten Wunsch des Schülers, im Rahmen des Unterrichts und im Verkehr mit der Kantonsschule bei seinem frei gewählten männlichen Rufnamen angesprochen zu werden, zu respektieren und dies auch von den Lehrpersonen zu verlangen.»

Der Schutz des Schülers in seiner individuellen Selbstbestimmung sei höher zu gewichten als die inneren Überzeugungen des Lehrers. Es handle sich nicht um einen Fall von Realitätsleugnung, sei doch vom Lehrer «vorerst tatsächlich nichts anderes verlangt worden, als den männlichen Namen zu verwenden.»

Das Bundesgericht wird der Schülerin, dem Kantonsschullehrer und der Sache offensichtlich nicht gerecht, wenn es die Transitions-Problematik auf die blosse Verwendung des männlichen Namens beschränkt und dem Lehrer implizit unterstellt, aus einer Mücke einen Elefanten zu machen.

Zuvor hat das Bundesgericht selber die Berechtigung der Anordnung der Schule vom begründeten Wunsch der Schülerin nach dem «frei gewählten männlichen Rufnamen» abhängig gemacht.

Und die Schülerin hatte diesen Namenswunsch per Mail wie folgt begründet: «Ich möchte Ihnen mitteilen, dass ich trans bin. Ich bin ein Junge, ein ER, und ich heisse Noah» (Name geändert; da sie noch nie so genannt wurde, handelte es sich im Übrigen nicht um einen Rufnamen).

Das Bundesgericht ist auf die Motive des Lehrers und seine Grundrechte nicht eingegangen. Der Lehrer ist gläubiger Christ. Nächstenliebe und Wahrheitsliebe sind für alle Christen zentrale Gebote.

Das objektive biologische Geschlecht, wie es auch mit der Schaffung von Mann und Frau in der Bibel bezeugt wird, zu verleugnen, kommt für ihn aus religiösen Gründen nicht infrage. Aber auch aus fachlichen Gründen lehnt er Transitionen ab; er hatte bereits vor ca. 15 Jahren in seinem Masterstudium an der Universität Zürich ein Genderstudies-Seminar besucht und sich mit den Folgen von Transitionen eingehend auseinandergesetzt.

Gemäss NZZ vom 16. Januar 2022 nahm laut neueren Erkenntnissen die Trans-Gender-Problematik wohl aufgrund von Nachahmungseffekten in den letzten Jahren überproportional zu und verschwindet doch bei über 88% aller Trans-Jugendlichen von selbst wieder. Körperliche Verstümmelungen sind dann aber nicht mehr rückgängig machbar. Seelische Narben bleiben.

Der Gymnasiallehrer sah sich zum langfristigen Wohle der Jugendlichen und aufgrund seines christlichen Glaubens verpflichtet, ihrer Realitätsleugnung entgegenzutreten. Er konnte in diese Lebenslüge unmöglich mit einstimmen, auch wenn die Schule das – ohne weitere Abklärungen – verlangte.

Das Bundesgericht hat es verpasst, sich mit dem Schutz der Persönlichkeit von Trans-Jugendlichen, inklusive Schutz vor sich selber vor unüberlegten Schädigungen, tatsächlich auseinander zu setzen, indem es die Sache – wie die Vorinstanzen – auf eine Rufnamen-Problematik reduziert. Und es hat es verpasst, sich mit den Grundrechten Dritter, welche den Schutz der Persönlichkeit der Trans-Jugendlichen aus guten Gründen anders angehen, auseinander zu setzen und zuletzt eine begründete Güterabwägung vorzunehmen.

Es stellen sich folgende Fragen:

  1. Wird mit der unhinterfragten Befolgung der Wünsche Jugendlicher, die sich selbst und ihre Persönlichkeit ablehnen, nicht der Schutz ihrer Persönlichkeit geradezu pervertiert?
  2. Wird Trans-Jugendlichen zugestanden, sich selber entsprechend ihrer (vorübergehenden) Empfindung allenfalls zu schädigen, darf der Staat Dritten vorschreiben, bei dieser Thematik, gegen die eigene religiös wie fachlich begründete Meinung, mitzumachen?
  3. Darf man den Jugendlichen nicht zumuten, die Meinung anderer stehen zu lassen oder muss sich die Realität ihren Vorstellungen «anpassen»?

Fazit:

Wer in Transitionen nicht die Förderung des Wohles der Jugendlichen, sondern ihrer Schädigung sieht, kann nach dem Entscheid des Bundesgerichts – ohne Rückendeckung der Schulleitung – nicht mehr Lehrer in öffentlichen Gymnasien sein. Wer als Eltern sein Kind vor der staatlichen Förderung von Transitionen schützen will, muss sich zunehmend überlegen, unter welchen Umständen man seine Kinder noch an öffentlichen Schulen belassen kann.

Hier der Link zum Bundesgerichtsentscheid: [LINK zur Website des Bundesgerichts

Hier die Bundesgerichtsbeschwerde: [PDF - Bundesgerichtsbeschwerde]

Wetzikon, 14.7.2023

RA Dr. D. Aebi